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Der Marke gehört die Zukunft

Editorial des Email-Newsletters 03-2009 vom 27.03.2009

Fakturadaten wandern per Mausklick automatisch in die Buchführung, Bankdaten ebenso. Manchmal auch die Kassendaten, wenn der Mandant ein elektronisches Kassenbuch hat. Bei Eingangsrechnungen funktioniert das nicht so bequem. Hier muss der Datengipfel zu Fuß erklommen werden. Der Grund: Eine Eingangsrechnung liefert keine elektronisch verarbeitbaren Daten, sondern bildhaft auf Papier oder „elektronischem Papier“ (PDF) dargestellte Daten. Dabei waren diese Daten kurz zuvor noch elektronisch verarbeitbar. Im Fakturasystem des Rechnungsaustellers. Dieser Medienbruch beim Rechnungsaustausch hat aufwändige manuelle – um im Bild zu bleiben peduelle – Konsequenzen. Für eine Buchung müssen alle Rechnungsdaten aus dem Beleg erst zusammengesucht und dann eingetippt werden. Das dauert. Und Personalkosten sind hoch.

„Fibu-Software unter Windows ist heute eine wie die andere, beliebig austauschbar. Sie ist GoBS-konform und selbstverständlich hat sie eine Offene-Posten-Verwaltung und Kostenrechnung mit dabei. Das war vor einigen Jahren längst nicht so. Ähnlich ist es mit professionellen Steuerprogrammen. Die müssen die geltenden Steuervorschriften richtig modellieren, sonst fallen sie am Markt durch. Und auch im dritten IT-basierten Bereich der Kanzlei , dem Kanzleimanagement war zu beobachten, dass Lösungen, die auf einer CeBIT als innovatives Alleinstellungsmerkmal gezeigt wurden, ein bis zwei Jahre später auch die Mitbewerber im Portfolio hatten. Wenn sich die einzelnen Kanzleilösungen für den Anwender technisch-funktional immer weniger unterscheiden lassen, worin dann? In der Marke! Zur Marke gehört weit mehr als die Aufzählung objektiver Merkmale. Zur Marke gehört Emotion. Bezüglich ihrer technischen Daten unterscheiden sich die Fahrzeuge der automobilen Oberklasse praktisch kaum. Dennoch  wechselt der Fahrer, der sich „Vorsprung durch Technik“ verbunden fühlt, nur äußerst selten ins Lager „Freude am Fahren“. Denn wer einen Markenartikel erwirbt, kauft nicht nur einen Gebrauchsgegenstand, sondern auch einen ideellen Gegenstand, ein Versprechen, das an die Marke geknüpft ist. So ist es auch bei Kanzleisoftware. Dass die ideellen Werte gegenüber den materiellen heute im Vordergrund stehen, war noch nie so deutlich zu sehen, wie auf der diesjährigen CeBIT. Da wurden nicht Produkte präsentiert, sondern Marken inszeniert. So reduzierte Textbotschaften wie 2009 waren auf den Messeständen noch nie zu sehen. Exakt in dieses Bild passte die Mitteilung über die Gründung der [tse:nit] CS Plus GmbH kurz vor der Messe. An diesem Unternehmen ist die Schleupen AG (zu 20%) und die Wolters Kluwer Germany Holding GmbH (zu 80%) beteiligt. Sein Gegenstand: die Kanzleisoftware [tse:nit] CS Plus als eigenständige Produktlinie fortzuentwickeln. Wolters Kluwer will  damit zukünftig unter einem Dach zwei Marken für Steuerberater bieten: mit Addison eine Marke unter dem Paradigma Vorgangsorientierung , mit [tse:nit] CS Plus eine Marke unter dem Paradigma Aktenorientierung. Fusionen oder Kooperationen von bisher konkurrierenden Kanzleisoftwareanbietern sind nicht neu. Neu ist die Mehr-Marken-Strategie. Bisher galt die Strategie, Synergieeffekte durch Entwicklung einer neuen Produktlinie zu erzielen, auf die die Anwender aller zusammengeführter Anbieter umstellen sollen. Diese Strategie hat aber die Markenbindung ausgeblendet, die die Anwender schon immer hatten. Die Synergieeffekte in Produktion und Vertrieb beim Anbieter kollidierten mit der beharrenden Verbundenheit mit der alten Marke bei den Anwendern. Auflösen lässt sich die Kollision durch eine Mehr-Marken-Plattform-Strategie, wie sie in der Automobilindustrie schon lange erfolgreich gepflegt wird.  VW Golf, Škoda Octavia, Seat Toledo und Audi TT werden beispielsweise auf derselben technischen Plattform gebaut. Fahrwerk und Antrieb sind bei den verschiedenen Modellen einheitlich, Karosserie und Design unterscheiden sich und transportieren das individuelle Markenimage. Genauso lässt sich auch Software entwickeln. Algorithmen und Datenstrukturen bilden die Plattform, die Benutzeroberfläche ist markenspezifisch. Softwaretechnisch sind dafür alle Voraussetzungen gegeben: Bei  moderner objektorientierter Programmierung ist die Wiederverwendbarkeit von Softwarebausteinen ein zentrales Konzept. Der Softwaremarkt für Steuerberater hat sich also gewandelt. Von einem Markt von Lösungen zu einem Markt von Marken. Darauf müssen sich Anbieter und Anwender einstellen. Die Anbieter stehen vor neue Herausforderungen wie Markenpflege und Markenführung. Der Anwender, der sich bei der Softwareauswahl früher mit der Frage auseinandersetzten musste, welche Software seine funktionalen Anforderungen am besten erfüllt, muss sich heute fragen: Welche Softwaremarke passt am besten zu meiner Kanzleimarke? Ihr Gerhard Schmidt“

Der Marke gehört die Zukunft


Dieser Artikel erschien erstmalig am 22.03.2009 auf der Internetseite von Gerhard Schmidt, IT-Forum steuerberater-mittelstand.de und wird hier archiviert.