Die Sorgen von insolvenzgefährdeten Mandanten können ansteckend wirken, schließlich droht im Fall einer Insolvenz auch die Rückzahlung von Steuerberatungs-Honoraren. Dagegen wird die Umstellung auf das Bargeschäft gern als Heilmittel gepriesen. Doch die hat ihre Tücken, erläutert RA Dr. Alexander Hardt im Interview mit steuerkoepfe.de.
Womit müssen Steuerberater und Steuerberaterinnen rechnen, wenn ein Insolvenzverwalter bei einem Mandanten das Ruder übernimmt?
Gemäß ihrer gesetzlichen Aufgabe werden Insolvenzverwalter versuchen, die Masse zu mehren. Dabei greifen sie auch zum Mittel der Insolvenzanfechtung und argumentieren: „Ich fechte die Zahlung der Honorare an, betroffen ist der Zeitraum von drei Monaten vor der Insolvenzanmeldung, zahlen Sie die erhaltenen Honorare innerhalb einer bestimmten Frist zurück, sonst ziehe ich sie vor Gericht und sie zahlen im Fall ihrer Niederlage die Honorare plus Zinsen und Kosten für Gericht und Anwälte.“
Um vor diesem Fall gewappnet zu sein, wird oft die rechtzeitige Umstellung auf das Bargeschäft empfohlen, weil die Beträge bei dieser Vorgehensweise nicht rückforderbar seien. Sind die Berater damit geschützt?
Nein, nicht automatisch. §142 InsO regelt zwar zunächst, dass Bargeschäfte nicht anfechtbar sind. Mit einem Bargeschäft ist keine Barzahlung gemeint, sondern dass Schuldner und Gläubiger ihre Leistungen zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgend austauschen. § 142 InsO regelt aber auch, dass Bargeschäfte anfechtbar sind, wenn die Voraussetzungen des §133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Gerade Steuerberater mit ihrer Kenntnis der wirtschaftlichen Situation des Mandanten laufen Gefahr, sich im §133 Abs. 1 InsO zu verfangen. Der Paragraph definiert die vorsätzliche Benachteiligung von Gläubigern. Ein Insolvenzverwalter könnte argumentieren: „Sie als Steuerberater haben von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Mandanten gewusst, aufgrund ihres Dauermandats waren sie stets im Bilde über seine wirtschaftliche Situation. Ihr Mandant hat bei seinen Zahlungen an Sie zumindest in Kauf genommen, dass er andere Gläubiger dadurch benachteiligt. Ihr Mandant hat daher mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt. Und ich fechte die Zahlungen im Rahmen des Bargeschäfts an.“ Besonders pikant: Wenn eine vorsätzliche Benachteiligung von Gläubigern festgestellt wird, sind nicht nur die Honorare der letzten drei Monate, sondern auch ältere Honorare bis zu einem rückwirkenden Zeitraum von zehn Jahren von einer Rückforderung bedroht. Ein so langer Rückforderungszeitraum ist mir zwar noch nicht untergekommen, aber er ist im Rahmen von langfristig angelegten missbräuchlichen Praktiken durchaus denkbar. Was die Rückforderungsfrist angeht: Oft wird die älteste unbezahlte Rechnung des Schuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner genutzt, um nachträglich den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit zu bestimmen. Ein Beispiel: Insolvenzantrag 31.12.2013, Zahlungsziel der ältesten unbezahlten Rechnung: 01.01.2013. Plus Feststellung der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung: Macht die Rückforderung aller in 2013 abgerechneten Honorare, Bargeschäft hin oder her.
Ist das Bargeschäft also untauglich, um sich vor Rückforderungen zu schützen?
Nein, das nicht, aber die Anforderungen sind hoch und die Fallstricke zahlreich. Im Kern geht es immer um die Frage: Konnte der Steuerberater eine drohende Insolvenz erkennen und benachteiligten die Zahlungen an ihn die übrigen Gläubiger? Und da werden an die Berater strenge Maßstäbe angelegt.
Welche Gegenargumente können Berater vorbringen?
Entweder: „Der Mandant hat mir lange keine Unterlagen geliefert, über seinen Status konnte ich daher nichts wissen.“ Was jedoch mehr Zweifel aufwirft, als damit ausgeräumt werden. Oder – und das ist vielversprechender und gerade für Sanierungsberater interessant: „Wir haben ein Sanierungskonzept für diesen Mandat erarbeitet. Das Konzept ist betriebswirtschaftlich fundiert. Beruht auf nachweisbaren Tatsachen. Und es hatte – zumindest aus damaliger Sicht – eine realistische Aussicht auf Erfolg.“ Und gerade im letzteren Fall geht es um viel Geld. Ein stichfestes Sanierungskonzept ist hohe Kunst und äußerst arbeitsreich – sprich: teuer. Die Rückzahlung des Honorars für ein solches Konzept möchte man nicht erleben. Aber nicht nur auf Sanierung spezialisierte Steuerberater haben mit insolvenzgefährdeten Mandanten zu tun, sondern fast alle Berater. Und da tut sich ein Dilemma auf. Viele Berater entscheiden sich sehenden Auges zu einer Weiterbearbeitung eines insolvenzgefährdeten Mandats, weil sie die Wahl zwischen zwei Übeln haben: Entweder die Beratung wird eingestellt und der Exitus des Mandanten ist vorprogrammiert. Oder sie beraten weiter, halten die Chance auf eine Sanierung am Leben, riskieren aber, dass sie im Fall einer Insolvenz ihre Honorare zurückzahlen müssen.
Was kann man Steuerberatern und Steuerberaterinnen bei der Umstellung auf das Bargeschäft raten?
Die Umstellung auf das Bargeschäft sollte bei ersten Anzeichen einer Krise erfolgen. Das Bargeschäft sollte schriftlich vereinbart werden. Die Leistungen sollten strikt nach Gebührenverordnung, bzw. Vergütungsvereinbarung abgerechnet werden. Es ist ein fester Abrechnungsturnus zu vereinbaren. Der fristgerechte Zahlungseingang ist zu überwachen, da eine ausbleibende oder verspätete Zahlung den Charakter eines Bargeschäfts vereiteln kann. Es ist zu prüfen, ob wegen einer möglichen Rückforderung vorsichtshalber Rückstellungen gebildet werden sollten. Und es gilt jede Form einer inkongruenten Deckung zu vermeiden, denn sie kann als Beweisanzeichen einer Gläubigerbenachteiligung gewertet werden. Inkongruente Deckung heißt: Die Begleichung einer Leistung in einer Art und Weise, die so nicht geschuldet ist. Eine inkongruente Deckung wäre zum Beispiel: Zahlung der Schuld durch einen Dritten, zeitliche Abweichungen vom vereinbarten Abrechnungsturnus, Zahlungen nach Druck oder Drohungen und die Abrechnung eines Vorschusses, wenn stattdessen tatsächlich erbrachte Leistungen hätten abgerechnet werden können. Der letzte Punkt ist etwas trickreich, denn im Grunde sind Vorschüsse ein gutes Mittel im Umgang mit insolvenzgefährdeten Mandanten. Denn sollte ein Vorschuss nicht gezahlt werden, können Berater die Arbeit ruhen lassen, ohne ihr Risiko zu erhöhen. Und der Vorschuss auf eine Leistung, die realistisch im durch den Vorschuss abgedeckten Zeitraum zu erledigen ist, wird in aller Regel als Bargeschäft anerkannt. Nur wer einen Vorschuss abrechnet, obwohl er bereits geleistete Arbeit hätte abrechnen können, der löst damit eine inkongruente Deckung aus. Und die weist wie gesagt auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz hin und öffnet dem Insolvenzverwalter das Tor für eine Anfechtungsklage.
Was erwarten Sie in Zukunft zu diesem Thema?
Die Regelungsdichte im Zusammenhang mit der insolvenzrechtlichen Vorsatzanfechtung nimmt jährlich zu. Die Insolvenzverwalter sind hier ausgesprochen aktiv. Der BGH äußert sich zu immer mehr Einzelfällen, die ihm präsentiert werden. Es gibt eine rege rechtspolitische Diskussion hierzu. BGH-Richter verteidigen ihre Spruchpraxis und halten die vom BGH praktizierte Gesamtschau aller Beweisanzeichen eines Einzelfalls als ausreichend rechtssicher. Industrieverbände kritisieren dem entgegen – nicht ganz zu Unrecht – eine ausufernde extensive Auslegung des § 133 Abs. 1 InsO, die Unternehmen regelrecht hemmt, was ich aus meiner Beratungspraxis bestätigen kann. Es ist damit zu rechnen, dass es hier früher oder später Gesetzesänderungen geben wird.
Herr Hardt, möchten Sie noch etwas sagen?
Es kommt auf den Einzelfall an. Das hier geschilderte Vorgehen kann nur einen generellen Überblick geben, eine individuelle Rechtsberatung aber nicht ersetzen. Die wird aber angesichts der aktuellen Entwicklungen und den Fallstricken bei der Verteidigung gegen Anfechtungsklagen immer wichtiger. Die Beratung setzt schon frühzeitig bei der Entscheidung an, wie man sich als Gläubiger einem anfänglich säumigen Zahler gegenüber richtig verhält. Dann kann man auch für den Fall der Fälle das Aufforderungsschreiben des Insolvenzverwalters zur Rückzahlung etwas gelassener nehmen.
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Zum Weiterlesen:
- Positionspapier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH): Ausufernder Anwendungsbereich der insolvenzrechtlichen Vorsatzanfechtung lähmt Unternehmenspraxis. Positionspapier Vorsatzanfechtung
- Vors. Richter am BGH Professor Dr. Godehard Kayser: Vorsatzanfechtung im Spannungsverhältnis von Gläubigergleichbehandlung und Sanierungschancen. juris – Godehard Kayser | Aufsatz, Kongressvortrag | 02.01.2014
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Über RA Dr. Alexander Hardt:
- Homepage der interdisziplinären Kanzlei kessler und partner, Bremen
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