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RA Michael Nitschke, Kessler & Partner, Bremen

Hände hoch, Geld zurück!

Gebühren zurück und keine Vorfälligskeitsentschädigung – diese zwei Optionen haben jüngst viel Aufmerksamkeit bei privaten Bankkunden erregt. Der Grund: Ein BGH-Urteil und der (zu viel, zu wenig?) kolportierte „Widerrufs-Joker“. Was Berater und Beraterinnen dazu wissen sollten, erklärt RA Michael Nitschke von der Kanzlei Kessler & Partner.

Kurz der Hintergrund: Kreditbearbeitungsgebühren dürfen Privatkunden nicht per AGB aufgedrückt werden, urteilte jüngst der Bundesgerichtshof (Pressemitteilung des BGH). Und der angeblich auch nach Jahren noch mögliche Widerruf des Darlehensvertrags soll vor einer Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Ablösung des Kredits schützen.

Sind Bearbeitungsgebühren für Verbraucherkredite jetzt auf alle Zeiten unzulässig?

So pauschal würde ich das nicht sagen, aber die Art und Weise wie sie bisher erhoben wurden, hat der BGH kassiert: nämlich die Forderung von Bearbeitungsgebühren per Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Wer solche Kreditbearbeitungsgebühren gezahlt hat, hat jetzt eine Chance, sie zurückzufordern.

Über die generelle Erlaubnis der Banken Gebühren zu nehmen hat der BGH nicht geurteilt Banken durften bislang und dürfen weiterhin für ihren Aufwand Gebühren nehmen, nur in den entschiedenen Fällen im Rahmen von Verbraucher-Darlehensverträgen halt nicht aufgrund von AGB.

Privatkunden erwarten, so argumentiert der BGH, dass mit den Zinsen die Kosten der Kreditbearbeitung abgedeckt sind. Der Paragraph 488 Absatz 1 BGB formuliert es auch so: Verfügungsstellung von Geld gegen Zins.

Es ist auch nicht zu erwarten, dass Kredite jetzt billiger werden. Ob die Gebühren jetzt aus den AGB gestrichen oder das Geld durch höhere Zinsen wieder reingeholt wird, ist offen.

Wo finde ich Angaben zu eventuellen Kreditbearbeitungsgebühren?

Im Kreditantrag, im Darlehensvertrag oder in den AGB. Im Antrag dürften Sie eher konkrete Summen finden, in den AGB werden eher Prozentangaben zu finden sein. Überwiegend dürften sich die Regelungen aber im Antrag bzw. im Darlehensvertrag befinden. Dort finden sich unter der Rubrik “Darlehenskosten” o.ä. Formulierungen wie “Die XYZ-Bank erhebt eine einmalige Bearbeitungsgebühr in Höhe von ….” o.ä. Dann sollte man zum Rechtsanwalt gehen und den Vertrag überprüfen lassen.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten, sich Gebühren zurückzuholen?

Rein rechtlich ist die Lage klar: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit den Urteilen vom 13.05.2014 (Az.: XI ZR 405/12 und Az.: XI ZR 170/13) Bearbeitungsentgelte bei Verbraucherdarlehen für unzulässig erklärt (Pressemitteilung des BGH.

Bei der Stiftung Warentest und bei der Verbraucherzentrale NRW gibt es kostenfreie Musterschreiben, um Ansprüche bei der Bank geltend zu machen.

Dann kommt es auf die Reaktion der Banken an. Erfahrungsgemäß sind Banken aber nicht sehr entgegenkommend, wenn es um Erstattungen geht. Es ist daher sehr fraglich, ob ein Musterbrief die Banken zu einem Einlenken bewegt. Mit einem anwaltlichen Schreiben steigen die Chancen.

Aber wie sich zeigt, neigen die Banken eher dazu, den Sturm auszusitzen.

Denn wenn Sie sich die Rechtslage ansehen, dann befinden sich die Banken zwar im Unrecht, aber doch in einer wenig bedrohlichen Situation: Verbraucher mit jeweils eher geringen Ansprüchen gegen Institute quer durch die Bankenlandschaft. Vor einer möglichen Erstattung steht Aufwand, Bedenken gegen einen Streit mit der Hausbank und möglicherweise ein Gerichtsverfahren.

Steigen die Chancen mit einer Sammelklage?

Die Sammelklage ist ein Beispiel dafür, wie man den Druck auf die Banken erhöhen kann. Vor dem LG Frankfurt am Main hat sich ein großes deutsches Kreditinstitut über 167 Forderungen vergleichsweise geeinigt. Die Sammelklage vor dem LG Frankfurt am Main zeigt aber auch: Die Banken zahlen erst, wenn sich im Gerichtsverfahren eine Niederlage abzeichnet. Und: Die Sammelklage hat keine Rechtswirkung über das streitgegenständliche Verfahren hinaus. Kunden anderer Banken können daraus keine eigenen Rechte herleiten. Weigert sich die Bank, müssten die Kunden diese trotzdem verklagen. Eine Sammelklage, die im Falle ihres Erfolgs nicht nur dem Kläger Ansprüche verschafft, sondern jeder Person, die in gleicher Weise wie dieser vom betreffenden Sachverhalt betroffen ist – unabhängig davon ob sie selbst geklagt hat, gibt es in Deutschland nicht, anders als in den USA. Nicht zu verwechseln ist die Sammelklage mit der auch im deutschen Prozessrecht vorgesehenen bloßen sogenannten subjektiven Klagehäufung, bei der im selben Prozess mehrere Kläger oder mehrere Beklagte auftreten.

Widerruf von Darlehensverträgen

Neben den Kreditbearbeitungsgebühren macht derzeit ein anderes Kredit-Thema Karriere in den Medien: der so genannte Widerrufs-Joker. Was hat es damit auf sich?

Ob der Joker wirklich sticht, muss sich erst noch zeigen. Aber der Hintergrund ist folgender: Wer einen Kredit vorzeitig ablösen möchte, muss der Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Diese ist in Deutschland – im internationalen Vergleich – ziemlich hoch. Um es sehr vereinfacht zu sagen: Wenn sich in der Widerrufsbelehrung Ihres Darlehensvertrages bestimmte Passagen finden, die bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung für unzulässig erklärt worden sind, stehen die Chancen gut, dass der gesamte Vertrag auch noch nach Jahren widerrufen werden kann. Kein Vertrag, keine Vorfälligkeitsentschädigung – um es, wie gesagt, vereinfacht auszudrücken. Die Darlehenssumme müssen Sie selbstverständlich trotzdem zurückzahlen. Und es geht hier wieder um Verbraucherschutz, also Verbraucher, die den Darlehensvertrag zu einem Zweck abschließen, der überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Daraus folgt, dass auch Unternehmer Verbraucher sein können, etwa beim Kredit für das Privathaus eines Firmeninhabers, aber nicht beim Kredit für den Bau seiner Gewerbehalle.

Um welche Passagen geht es?

Hauptsächlich geht es um die Widerrufsbelehrung. Entweder wurde eine nicht mehr gültige Widerrufsbelehrung verwendet oder die verwendeten Widerrufsbelehrungen waren inhaltlich fehlerhaft. Fehler waren z.B. falsche Fristbelehrung, fehlender Hinweis auf Rechtsfolgen, fehlender Hinweis auf verbundenes Geschäft, ergänzende Formulierungen, keine Anpassung auf den Einzelfall. Lediglich die Banken, die vollständig die amtliche Musterwiderrufsbelehrung verwendet haben, sind durch den Gesetzgeber geschützt, selbst wenn das Muster fehlerhaft war. Den Geldhäusern ist dann nichts vorzuwerfen. Ein Widerruf ist nicht möglich. Dazu durften die Banken aber weder von den inhaltlichen noch von den gestalterischen Vorgaben des Musters abgewichen sein (BGH, Urteil vom 01.03.2012, Az. III ZR 252/11), das ist aber nur sehr selten der Fall gewesen.

Der Charme daran: Ist die Widerrufsbelehrung falsch, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Das heißt wie bereits erwähnt: Sie können noch Jahre später den Darlehensvertag widerrufen.

Dieser Mechanismus wurde aber inzwischen gesetzlich gestoppt. Für nach aktuellem Recht geschlossene Verträge gilt eine Einjahr und vierzehntägige Widerrufsfrist ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Und welcher Zeitraum ist nun betroffen?

Es geht um Verträge aus der Zeit zwischen den Jahren 2002 und 2011.

Wie erfahre ich die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung?

Nur durch Anfrage bei Ihrer Bank. Die Banken legen den Rechenweg selbst nicht offen, sondern nur sein Ergebnis und wenn ist dieser für den Verbraucher schwer nachvollziehbar.

Wie gehe ich am besten vor, wenn ich den Widerrufs-Weg gehen möchte?

Das Wichtigste vorab: Kein Widerruf, bevor eine Anschlussfinanzierung sicher und in trockenen Tüchern ist.

  1. Holen Sie sich anwaltlichen Rat, ob Sie Ihren individuellen Darlehensvertrag mit Aussicht auf Erfolg widerrufen können.
  2. Sichern Sie sich eine Anschlussfinanzierung. Spielen Sie dabei mit offenen Karten und erklären, dass Sie den Vertrag mit Ihrer alten Bank widerrufen werden. Diese Tatsache kommt höchstwahrscheinlich ohnehin raus, aber so haben Sie wenigstens die Chance, das Wie und Wann selber zu bestimmen.
  3. Dann sollte man zunächst versuchen, eine außergerichtliche Verständigung mit seiner Bank herbeizuführen und versuchen, den alten Vertrag zu angepassten Konditionen weiterzuführen. Erst nachdem diese Bemühungen gescheitert sind, sollte über den Widerruf nachgedacht werden.

Welche Überlegungen sollte ich dabei in meine Entscheidung einfließen lassen?

Allein monetäre Überlegungen sollten nicht den Ausschlag geben. Fragen Sie sich: Wie lange läuft der alte Vertrag noch? Sind es noch viele oder nur wenige Jahre? Möchte ich einen – vielleicht mehrjährigen – Streit mit meiner Bank auf den letzten Metern eines Kredits? Was habe ich noch bei der Bank: eigenes oder familiäres Girokonto, andere Finanzierungen? Wie ist die Qualität der Zusammenarbeit mit meiner Bank, will ich sie aufs Spiel setzen?

Warum sollte ich wegen des Widerrufs mit offenen Karten spielen?

Weil Sie so – wie erwähnt – die Kontrolle behalten. Es hat ein Geschmäckle, wenn man einen eingegangenen und jahrelang bedienten Vertrag widerruft. Es ist dabei offensichtlich, dass Widerrufer eine Lage ausnutzen, sobald sie ihren Vorteil sehen. Und die Chance zum Widerruf ist auch dem Gesetzgeber geschuldet, der das Muster seit 2002 sieben Mal verändert hat, oft auch mit zeitlichen Überschneidungen. In der Zeit vom 11. Juni 2010 bis 29. Juli 2010 lag sogar überhaupt kein Muster des Gesetzgebers vor. Dass sich die Banken in diesem Wirrwarrr verfangen, war fast zwangsläufig und zu erwarten. Es ist auch mit einem Schulterschluss der Banken zu rechnen, nach dem Motto: Widerrufer nehmen wir nicht. Wenn Sie den Widerruf offen ansprechen und wirtschaftlich gut begründen können, entschärfen Sie dadurch Ihr Verhalten, dass Ihnen sonst negativ ausgelegt werden könnte.

Angenommen, ich möchte mich außergerichtlich einigen und hoffe auf ein Entgegenkommen der Bank. Wie gehe ich dabei am besten vor?

Es bleibt bei den Schritten eins bis zwei: Sie sollten Ihre Chance kennen und eine Alternative parat haben. Anwaltliche Unterstützung kann dabei nicht schaden. Aber: Der Ton macht die Musik. Und vielleicht ist die Bank gewillt, Ihnen bessere Konditionen einzuräumen, wenn die Angelegenheit ohne großes Säbelrasseln und ohne viel Aufhebens bereinigt werden kann.

Angenommen, ich möchte den Widerruf und es auf ein Verfahren ankommen lassen: Womit muss ich rechnen?

Die Praxis und die Folgen des Widerrufs torpedieren das Geschäftsmodell der Banken im Hinblick auf das Verlangen einer Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Kündigung des Darlehens. Die Banken argumentieren in diesem Zusammenhang mit einem nicht unerheblichen Schaden, der ihnen durch die vorfälligkeitslose Rückzahlung der Darlehen entstünde. Rechnen Sie daher mit einem hohen und lang anhaltenden Widerstand seitens der Bank. Anders als bei den Kreditgebühren geht es hier um viel mehr Geld. Das treibt auch die Kosten für den zu erwartenden Rechtsstreit. Die Gerichtsgebühren berechnen sich nach dem Streitwert. Und der kann hoch sein, wenn es zu Beispiel um ein Darlehen für einen Grundstückskauf geht.

Ist solch ein Vorgehen durch meine Rechtsschutzversicherung gedeckt?

Die Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten erst nach dem Widerruf des Darlehens, da aus Sicht der Versicherung erst zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsschutzfall gegeben ist. Man müsste also mit dem Widerruf beginnen. Davon würde ich, wie bereits gesagt, jedoch in den meisten Fällen abraten.

Herr Nitschke, möchten Sie noch etwas sagen?

Es kommt auf den Einzelfall an, unüberlegtes und übereiltes Handeln sollte man vermeiden und zunächst einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen. Das hier geschilderte Vorgehen kann keine individuelle Rechtsberatung ersetzen.

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