Zum Inhalt springen

Starthilfe für das Ersetzende Scannen

Beleg scannen, wegschmeißen – und dann? Wie es um die Beweiskraft von digitalisierten Dokumenten steht, haben die Universität Kassel und die Datev mit Hilfe einer Simulationsstudie vorfühlend erforscht. Torsten Wunderlich leitet das Informationsbüro der Datev in Berlin und erläutert im Video Sinn und Zweck der Veranstaltung. Inzwischen liegen die Ergebnisse der Simulationsstudie vor.

Die Studienergebnisse haben keinerlei verbindliche Wirkung. Aber die Ausrichter hoffen, durch die Gestaltung der Studie, künftige juristische Entscheidungen auf die richtigen Gleise zu setzen: Reale Richter, Rechtsanwälte und Sachverständige haben in zwei Tagen 14 realitätsnahe finanz- und zivilrechtliche Streitfälle verhandelt, bei denen sich eine Seite ausschließlich auf die elektronische Form eines ursprünglichen Papierbelegs beruft.

Und es geht um viel. Die Erleichterung wäre enorm, dürften – zumindest unterschriftslose – Belege nach dem Scannen weggeworfen werden. Gleichzeitig entstünde ein Markt für das sichere Scannen und Speichern der Dokumente.

Bislang ist das ersetzende Scannen, nach den Worten von Wunderlich, nur Unternehmen vorbehalten, die besondere Abmachungen mit der Finanzverwaltung getroffen haben und entsprechende Infrastruktur nachweisen können.

Der Schritt zum ersetzenden Scannen scheint überfällig, aber es hat sich auch gezeigt, dass solche Projekte manchmal nicht recht aus den Startlöchern kommen (neuer elektronischer Personalausweis) oder auch sang- und klanglos wieder eingestampft werden (Elena. Und andere Beobachter fürchten, dass allein Behörden der Genuss des ersetzenden Scannens erlaubt werden könnte.

Die Pressemitteilungen der Datev verbreiten Optimismus:

Grundsätzlich könnte die digitale Kopie eines Papierbelegs in Zukunft genügen, um in einem Streitfall zu seinem Recht zu kommen. Dies ist das Resultat einer Simulationsstudie, die die Universität Kassel gemeinsam mit der DATEV eG durchgeführt hat. Zwei Tage lang wurden dazu in Nürnberg insgesamt 14 Gerichtsverhandlungen simuliert. In der Mehrzahl der Fälle entschieden die Richter, dass eine elektronische Kopie als Beweis ausreicht, wenn sie richtig eingescannt und je nach Dokumentenklasse eventuell noch digital signiert ist. „Das Relikt Papierablage kann vor dem Hintergrund unserer Studie in Zukunft hoffentlich bald über Bord geworfen werden“, zeigt sich Prof. Alexander Roßnagel vom Institut für Wirtschaftsrecht der Universität Kassel zuversichtlich. „Für Millionen von Unternehmen – insbesondere für den Mittelstand – bedeutet das künftig eine enorme Entlastung bei der Einhaltung der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen.“

Interessant in diesem Zusammenhang könnte insbesondere das Fazit von Ulrich Schwenkert, Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg sein, der im Rahmen der Studie die finanzgerichtlichen Streitfälle zu klären hatte: „Im Regelfall dürften selbst die eigenhändig ohne besondere Vorkehrungen eingescannten Belege nicht zu einem Rechtsnachteil führen“. In der finanzgerichtlichen Praxis werde sehr häufig mit Belegkopien gearbeitet, ohne dass die Vorlage des Originals gefordert sei. „Dies muss auch für digitale Kopien gelten“, meint Schwenkert.

(…)

In der Nürnberger Studie wurden unter verschiedenen Gesichtspunkten realitätsnahe Streitfälle verhandelt, bei denen sich eine Partei ausschließlich auf elektronische Kopien ursprünglicher Papierbelege berief, die unter Einsatz unterschiedlicher Technik und organisatorischer Vorgaben erzeugt wurden.

Quelle: Datev-Pressemitteilung (vom 30. Oktober 2013)

Studienleiter Prof. Alexander Roßnagel, Universität Kassel, über die Zweifelsfälle:

Problematisiert wird das gescannte Dokument nur bei Zweifeln. Dann prüft das Gericht, wer mit welchem plausiblen Motiv und mit welchen Mitteln das Originaldokument hätte fälschen oder verfälschen können bzw., mit welchen Verfahren das Dokument gescannt wurde und welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung dabei berücksichtigt wurden.

Wurden beim Scan die Vorgaben der Richtlinie zum Ersetzenden Scannen (TR-RESISCAN) des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eingehalten (z.B. Verfahrensvorgaben, Verantwortungszuweisungen, stichprobenartige Sichtkontrollen) erhöht dies den Beweiswert. Die in der Richtlinie vorgesehenen elektronischen Sicherungsmittel (Zeitstempel, Signaturen) können je nach Qualität die Zweifel erschüttern oder sogar widerlegen.“

Quelle Datev Pressemitteilung

Ulrich Schwenkert, Finanzgericht Berlin-Brandenburg:

Selbst wenn Belege vom Steuerpflichtigen eigenhändig und ohne Beachtung der Richtlinie RESISCAN des Bundesamts für Informationstechnik (BSI) eingescannt werden, dürfte dies keine Rechtsnachteil nach sich ziehen. In der finanzgerichtlichen Praxis wird sehr häufig mit Belegkopien gearbeitet, die Vorlage des Originals wird in der gerichtlichen Praxis in der Regel weder von Finanzämtern noch von Finanzrichtern gefordert. Eine gescannte Datei ist nichts anderes als eine digitale Kopie des Originals. Sie sollte daher auch nicht anders behandelt werden. Misstrauisch dürften Finanzbehörden und -gerichte erst werden, wenn weitere Umstände auf eine Manipulation der gescannten Belege hindeuten, wie etwa Abweichungen im Schriftbild oder ein unterschiedliches Aussehen von Rechnungen des gleichen Rechnungsausstellers. Wenn Belege und andere Unterlagen unter Beachtung von RESISCAN eingescannt werden, erhöht dies in jedem Fall den Beweiswert erheblich. Der organisatorische und technische Aufwand für ein rechtssicheres ersetzendes Scannen ist überschaubar aber nicht unerheblich.

Die Studie hat auch gezeigt, dass sich durch das ersetzende Scannen neue Rechtsfragen ergeben. Für Fälle, in denen die Finanzverwaltung aufgrund gesetzlicher Regelungen oder in ständiger Praxis Originalbelege anfordert (beispielsweise Spendenbescheinigungen oder Kapitalertragsteuerbescheinigungen), wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob eine digitale Kopie den Zweck erfüllen kann, der hinter der Anforderung des Originalbelegs steht.“

Quelle: Datev Pressemitteilung

P.S.: Ganz herzlichen Dank an Torsten Wunderlich für seine Zeit und Bereitschaft, sich filmen zu lassen. Die Video-Qualität lässt zu wünschen übrig. Meine Schuld. Ich gelobe Besserung.

[blue_box]

[/blue_box]