Für Steuerberater sind Selbstanzeigen ein heißes Eisen, fachlich anspruchsvoll und voller Widerhaken – vor allem aber, weil es oftmals überrascht, wenn vertraute Mandanten plötzlich mit solch einem Ansinnen um die Ecke kommen. Und jetzt noch Hoeneß. Der Mann hat schon polarisiert wie kein zweiter, bevor seine Selbstanzeige publik wurde. Sein Fall hat auch die Selbstanzeige als Dienstleistung und Marktfeld der beratenden Berufe in die öffentliche Diskussion gebracht. RA Alexander Littich gibt Auskunft darüber, ob Mandanten mit ihrer Selbstanzeige zum Haus-StB oder lieber woanders hingehen, über die Gefahr, ein entsprechendes Mandat niederlegen zu müssen und über Mandanten, die nur das Strafmaß interessiert. Lüttichs Beartungsgruppe Beratungsgruppe Ecovis hatte den Fall Hoeneß genutzt, um mit einer Pressemitteilung über Selbstanzeigen zu informieren.
Dass der Ermittlungsdruck – und auch die mediale Aufmerksamkeit – die Selbstanzeige zu einem Geschäftszweig macht, kann angesichts der Zahlen nicht überraschen: Allein die von Nordrhein-Westfalen angekauften Daten-CDs führten zu 7949 Selbstanzeigen mit Schweiz-Bezug und spülten 671,1 Mio. Euro in die Landeskasse, wie das Statistikunternehmen statista nachgerechnet hat.
Herr Littich, wie groß ist die Nachfrage in Ihren Kanzleien zum Thema Selbstanzeige?
Littich: Wir betreuen ca. 150–400 Selbstanzeigen jährlich. Die überwiegende Anzahl der steuerlichen Nachmeldungen erfolgen aus dem Kreise unserer Mandanten. Ca. 10 – 30 % der Nachmeldungen betreffen externe Mandanten, die üblicherweise nicht in der Ecovis-Gruppe steuerlich betreut werden, sondern aufgrund unserer Bekanntheit für die Betreuung von steuerlichen Nachmeldungen entweder persönlich oder durch die Empfehlung von Kollegen an uns herantreten.
Steigen die Anfragen zu bestimmten Anlässen?
Littich: Es ist zu beobachten, dass insbesondere Nachmeldungen für Kapitalerträge bei bestimmten Bankhäusern ansteigen, sobald diese Bankhäuser in den Medien genannt werden.
Wir betreuen jedoch auch fortlaufend steuerliche Nachmeldungen für Kapitalerträge aus Bankhäusern, die bereits vor ein bis zwei Jahren in den Medien präsent waren. Die Mandantenstruktur ist hier sehr unterschiedlich. Einige nehmen einen derartigen Anlass zur Gelegenheit um ausländische Bankverbindungen offen zu legen, was sie im Übrigen bereits seit langem vor hatten; andere haben auf z. B. das Schweizer Steuerabkommen gehofft, um im Rahmen einer Anonymität die Angelegenheit zu bereinigen.
Häufig wird auch im Zuge eines Generationenwechsels oder eines Todesfalls die Gelegenheit genutzt, ausländische Bankkonten und die hieraus erzielten Kapitalerträge in Deutschland nachzuversteuern.
Gehen Mandanten eigentlich mit einer Selbstanzeige zu ihrem Haus-StB oder lieber zu einem unbeteiligten StB?
Littich: Der Umstand, dass die überwiegende Anzahl der durch uns betreuten steuerlichen Nachmeldungen für Mandanten erfolgt, die bereits in der Ecovis-Gruppe steuerlich beraten werden, zeigt, dass Steuerhinterziehung durch die Medienpräsenz in der Wahrnehmung der Steuerpflichtigen„salonfähiger“ geworden ist. Während man sich vor einigen Jahren noch etwas verschämt seinem Steuerberater offenbart hat, Steuern hinterzogen zu haben und in dem Zusammenhang auch gerne die steuerliche Unterstützung eines neuen Steuerberaters in Anspruch genommen hat, geht man heute von Seiten des Mandanten viel nüchterner und emotionsloser mit dem Bereich einer steuerlichen Nachmeldung um.
In unserem Hause sind die Prozessabläufe standardisiert, um die strengen Anforderungen an eine strafbefreiende Selbstanzeige einhalten zu können. Dies verbietet selbstverständlich jegliche Emotion und moralischen Vorhalt gegenüber den Mandanten; gleichzeitig fordert es jedoch eine umfangreiche Beratung im Hinblick darauf, dass der Steuerpflichtige sich zukünftig steuerehrlich verhalten muss, nachdem durch eine Selbstanzeige, sofern sie wirksam ist, zwar Strafbefreiung für den erklärten Sachverhalt eintritt, aber durchaus zu erwarten steht, dass auch für die Zukunft durch die Finanzverwaltung die Steuererklärungen des Steuerpflichtigen gesondert und intensiv geprüft werden.
Zum Beispiel?
Littich: Für einen Unternehmer, der z. B. zu hohe Betriebsausgaben zur Reduzierung seines Unternehmensgewinns angegeben hat, steht mit Abschluss der steuerlichen Nachmeldung die Aufgabe für den Berater an, in wirtschaftlicher Hinsicht die Betriebsstrukturen zu prüfen, um zu vermeiden, dass der Unternehmer wieder in das alte Fahrwasser zurückfällt und neuerlich aufgrund der zumeist über Jahre hinweg erfolgten Praxis Steuern hinterzieht.
Für steuerliche Nachmeldungen zu Kapitalerträgen auf ausländischen Konten ergibt sich diese nachgelagerte Mandatsbetreuung in der Regel nicht, da selbstverständlich der Vermögensbestand entweder ins Inland transferiert wird und dort den automatisierten Meldungen unterliegt oder aber im Ausland belassen wird, wobei selbstverständlich in den Folgejahren die ausländischen Kapitalerträge steuerlich gemeldet werden. Der betroffene Steuerberater wird persönlich darauf achten, dass er in seiner Besteuerungsakte die diesbezüglich betriebene Aufklärung dokumentiert. Nachdem er nun von den ausländischen Kapitaleinkünften weiß, würde er sich ansonsten möglicherweise sogar wegen einer Beihilfe zur versuchten Steuerhinterziehung strafbar machen, sofern er im nächsten Veranlagungsjahr ausländische Kapitaleinkünfte nicht erklärt, oder aber dem Finanzamt nicht erklären kann, welche Verwendung das im Ausland befindliche Vermögen gefunden hat.
Selbstanzeigen sind für StB ja nicht ganz ohne. Nicht nur, dass ein einzelner Verfahrensfehler den Erfolg zunichte machen kann, es kommen auch Informationen über die Schwindeleien des Mandanten zutage. Wie groß ist die Gefahr, dass ein StB daraufhin das Mandat niederlegen muss?
Littich: Der Steuerberater, der bei Erstellung einer Steuererklärung davon Kenntnis hat, dass sein Mandant nicht sämtliche steuererheblichen Daten und die hieraus resultierenden Einkünfte an die Finanzverwaltung erklärt, macht sich einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar. Aus diesem Grunde sind Steuerberater selbstverständlich darauf bedacht, sich durch ihren Mandanten die Vollständigkeit der in deren Auftrag erstellten steuerlichen Erklärung bestätigen zu lassen.
Umgekehrt haben nach unserer Kenntnis Steuerpflichtige ausländische Kapitaleinkünfte sehr verschwiegen behandelt und selbstverständlich den steuerlichen Berater über den Bestand eines derartigen Bankkontos nicht in Kenntnis gesetzt. Vereinzelt ist uns bekannt, dass das besondere Vertrauensverhältnis eines Mandanten, der über Jahrzehnte hinweg von dem selben Steuerberater betreut wurde, durch die Offenlegung eines ebenfalls über Jahre hinweg im Ausland geführten Kontos und einer hieraus resultierenden Steuerhinterziehung durchaus belastet wurde. In aller Regel wissen Steuerberater jedoch professionell damit umzugehen, so dass es zu keiner dauerhaften Mandatsbelastung führt.
Soweit der Steuerberater aus einem solchen Vorfall für sich entscheiden muss, den Erklärungen des Mandanten nicht mehr zu vertrauen, wird er selbstverständlich in letzter Konsequenz das Mandatsverhältnis niederzulegen haben. Auch diesbezüglich ist unsere Aufklärungsarbeit als Rechtsanwälte in der Begleitung von steuerlichen Nachmeldungen jedoch notwendig, um dem Steuerpflichtigen darzulegen, dass sein Steuerberater sich selbst strafbar machen könnte, sofern sich der Steuerpflichtige zukünftig nicht steuerehrlich verhalten sollte und dem Steuerberater dies aufgrund der erfolgten Nachmeldung bekannt ist bzw. bekannt sein muss.
Wie erfolgreich sind solche Gespräche?
Nur vereinzelt haben wir Beratungsgespräche mit externen Mandanten geführt, die sich dann nicht zur Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige entschieden haben. Diese Mandanten sind daran interessiert, durch uns Kenntnis über ein zu erwartendes Strafmaß zu erhalten, für den Fall, dass die Tat durch Ermittlungsbehörden entdeckt wird. In derartigen Fällen ist davon auszugehen, dass der externe Steuerberater, der uns in diesen Fällen nicht bekannt gegeben wurde, keine Kenntnis von der in der Vergangenheit und wohl auch weiterhin praktizierten Steuerhinterziehung des Steuerpflichtigen hat.
Sollte er, wie gesagt, diese Kenntnis besitzen, wird der Steuerberater seinerseits gut beraten sein, das Mandat niederzulegen. Sie können in diesem Zusammenhang keinen Mandanten dazu verpflichten, eine steuerliche Nachmeldung abzugeben. Sie können nur darauf hinwirken. Die Entscheidung verbleibt beim Steuerpflichtigen. Aufgrund der standesrechtlichen Verschwiegenheitsobliegenheit sind sie verpflichtet, derartige Kenntnisse nicht an die Finanzverwaltung weiterzuleiten.
Wie haben sich die Anforderungen an eine erfolgreiche Selbstanzeige verändert?
Littich: Sie haben sich verschärft. Während es vor Jahren noch möglich war, in einem Jahr Kapitalerträge aus z. B. einem bislang nicht erklärten Konto in Österreich für die Veranlagungszeiträume 2000 – 2005 nachzumelden und im nächsten Jahr die Kapitalerträge aus einem z. B. in der Schweiz geführten ausländischen Konto für denselben Veranlagungszeitraum strafbefreiend nachzumelden, ist dies heute nicht mehr möglich. Die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ist oberste Prämisse für die Erlangung der Straffreiheit. Die Voraussetzungen für die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige sind in jedem Einzelfall vollumfänglich zu prüfen. Wir arbeiten in diesem Zusammenhang ausschließlich mit Steuerberatern und bestenfalls dem Steuerberater, der den Mandanten auch bereits langjährig betreut hat, zusammen, damit in diesem Zusammenhang sämtliche steuererheblichen Sachverhalte geprüft und in die Nachmeldung mit aufgenommen werden können.
Dies bedeutet z. B., dass bei der Abgabe einer Nachmeldung für bislang nicht erklärte Kapitalerträge aus einem ausländischen Bankkonto möglicherweise auch bislang nicht erklärte V+V-Einkünfte nachgemeldet werden müssen, sofern sie in den noch strafbefangengen Zeitraum fallen.
Sind Ihnen noch andere Kanzleien aufgefallen, die auf den Fall Hoeneß Bezug genommen haben?
Littich: Zum derzeitigen Zeitpunkt, zu dem im Fall Hoeneß die tatsächlichen Hintergründe nicht bekannt sind, sind ausschließlich Spekulationen möglich. Jede seriöse Kanzlei wird gut beraten sein, sich an diesen Spekulationen nicht zu beteiligen. Wir haben unsererseits den Fall Hoeneß ebenfalls nur als Aufhänger für unseren neuerlichen Hinweis auf die Besonderheiten einer strafbefreienden Selbstanzeige verwendet. Wir konnten jedoch z. B. erst gestern im Gespräch mit Vertretern der Steuerfahndung und Bußgeld- und Strafsachenstelle feststellen, dass der Fall Hoeneß auch auf Seiten der Finanzverwaltung intensiv diskutiert wird.
Und in der Öffentlichkeit wird das Instrument der Selbstanzeige auch sehr kritisch gesehen.
Littich: Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige ist vor dem Hintergrund der hohen Strafsanktion des Bundesgerichtshofes bei einer Steuerhinterziehung ab 1 Million Euro nur schwer rechtlich begründbar und dem juristischen Laien nur schwer vermittelbar.
Selbstverständlich besitzen bei weitem nicht viele steuerliche Nachmeldungen ein so hohes Potenzial der Steuerverkürzung Es entspricht auch unserer Erfahrung, dass durch alle Gesellschaftsschichten und teilweise in erheblicher Höhe ausländische Konten unterhalten werden/wurden und die hieraus erzielten Kapitaleinkünfte eben nicht steuerehrlich in Deutschland angemeldet wurden. Der Fall Hoeneß ist hierzu nur ein prominenter Fall, der insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Staatsanwaltschaft München II für die strafrechtliche Behandlung zuständig ist, sicherlich unter voller Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgehandelt werden wird.
Sie können sicher sein, dass es eine Vielzahl anderer prominenter wie auch weniger prominenter Steuerpflichtiger in Deutschland geben wird, die zum derzeitigen Zeitpunkt eine Offenlegung ihrer im Ausland erzielten Kapitalerträge noch nicht vorgenommen haben. Dies können Sie zum einen daran feststellen, dass die Kanzleien, die sich auf Wirtschaft- und Steuerstrafrecht spezialisiert haben, sich in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert haben. Zum anderen besteht auch in politischer Hinsicht eine sehr aktuell geführte Diskussion über die Erweiterung bestehender Auskunftspflichten und Rechts- und Amtshilfepflichten innerhalb der EU und auf der gesamten Welt.
Ich wäre nicht überrascht, wenn vor diesem Hintergrund der Trend zur steuerlichen Nachmeldung weiter anhalten sollte und auch der eine oder andere prominente Fall – aus welchem Grunde auch immer – noch bekannt werden sollte.
[dark_box] Alexander Littich ist Rechtsanwalt der Ecovis-Gruppe und Betriebswirt (FH) Controlling und Steuern und hat die obigen Fragen per Mail beantwortet. Littich leitet die auf das Wirtschaftsrecht spezialisierte Ecovis L + C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Die Kanzlei ist überregional tätig und mit mehreren Niederlassungen in den Bundesländern Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westphalen vertreten. Zusammen mit seinen Kolleginnen Rechtsanwältin Adelheid Holme und Rechtsanwältin Patrizia Nusko betreut Littich den Bereich Wirtschaft- und Steuerstrafrecht und ist Ansprechpartner der Schwestergesellschaft Ecovis BLB Steuerberatungsgesellschaft (40 Standorte in Bayern) sowie der Ecovis Wirtschaftstreuhand GmbH (6 bayerische Standorte). In den Bundesländern Hamburg, Berlin, Brandenburg, Magdeburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind Littichs Kollegen der Ecovis Grieger-Mallison-Gruppe tätig. [/dark_box]